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10. September 2024 in Familie


Christliche Familien: Raum für eine Gegenkultur in der heutigen Welt - Von Christof Gaspari / VISION2000


Wien (kath.net/http://vision2000.at)
Zum Thema Familie besteht ein merkwürdiges Verhältnis. Einerseits wird Familie allen Umfragen zufolge von einer großen Mehrheit der Menschen geschätzt und für jeden per­sönlich als wichtigen Lebensbereich bezeichnet. Andererseits wird mit Verbissenheit an deren Zerstörung gearbeitet: in den Medien, der Politik – und vielfach auch in der Schule… Im persönlichen Gespräch fällt es daher oft schwer, eine Lanze für das traditionelle Familienmodell zu brechen. „Ach wieder das Märchen von der heilen Familienwelt,“ bekommt man dann zu hören.

Im Gespräch mit einem jungen Mann ging es kürzlich um die Frage, ob ein Paar, das schon länger „zusammen ist“, wie man heute sagt, auch zusammenziehen soll. Die Antwort: „Selbstverständlich, das machen heute alle.“ Ich frage: „Warum heiraten sie nicht, wenn sie doch die bes­ten Absichten haben, das Leben miteinander zu verbringen?“ Darauf die Gegenfrage: „Warum heiraten, wenn man sich ohnedies unproblematisch scheiden lassen kann?“ Stimmt auch wieder. Warum sollte man?
Das macht das Grundproblem offenkundig: Wenn die Ehe kein unkündbares Verhältnis ist, dann ist es letztlich egal, ob man heiratet oder nicht. Um für die Ehe, die Basis der Familie, zu werben, sind wir heute gezwungen, an die Wurzel der Problems zu gehen, besonders wir Christen. Es reicht nicht, über Nützlichkeitsargumente zu reden, etwa dass man auf diese Weise öffentlich bekundet, dass man einen gemeinsamen Weg gehen will, dass man als verheirateter Mensch durch Ehering nach außen dokumentiert, dass man vergeben sei oder dass man durch einen gemeinsamen Namen die Einheit zum Ausdruck bringt, was den Kindern Geborgenheit vermittelt.

Das sind schon gute, wichtige Argumente, aber in einer Zeit, in der bei Eheschließung nicht unbedingt ein gemeinsamer Name vereinbart und dann ein Ehering getragen wird, verlieren sie ihre Überzeugungskraft.
Es geht für Christen schlicht und einfach darum zu bekunden: Die Ehe ist die Voraussetzung für das Einswerden von Mann und Frau, weil Gott den Menschen so geschaffen hat, und weil Jesus klargestellt hat, dass dies der erfüllende Weg des Zusammenlebens von Mann und Frau ist. Und dass dieser Weg eindeutig der Beziehung von Mann und Frau vorbehalten ist. Eigentlich müsste das allgemein einsichtig sein, da die Geschlechtsorgane der Fortpflanzung dienen und auf das Zusammenwirken der  Geschlechter ausgerichtet sind.

Allerdings lässt sich auch das als „Biologismus“, der die menschliche Freiheit einschränke, abtun, wie uns die Gender-Lehre einreden will. Als Christen wissen wir, dass alle anderen Varianten, die heute akzeptiert sind, aber dem Wesen des Menschen nicht entsprechen, langfristig keinen Segen bescheren können.

Klartext zu reden, ist also angesagt in einem Umfeld, das die Begriffe ihrem ursprünglichen Inhalt entfremdet hat. Das gilt insbesondere, seitdem es die „Ehe für alle“ gibt. Damit ist der letzte Anhaltspunkt, nämlich die Unterschiedlichkeit der Geschlechter als Voraussetzung der Bindung, verloren gegangen mit all den verheerenden negativen Folgeerscheinungen, die mittlerweile etabliert sind: Retortenzeugung von Kindern, Mietmutterschaft, Kinder für gleichgeschlechtliche Paare, die zwangsläufig nicht zeugungsfähig sind… (siehe S. 6 und 15).

Klartext zu reden, ist die eine Sache. Die andere ist, das historisch bewährte Erfolgsmodell der fruchtbaren,  lebenslangen Ehe von Mann und Frau auch so zu leben, dass erkennbar ist, wie erfüllend diese Lebensform ist. Wie kostbar sie ist, merkt man besonders im Alter, wenn sich die eigenen Pläne verringern und man mit den normalen Lebensbedingungen zunehmend schwerer zurechtkommt, insbesondere in einer Welt, in der sich technisch so viel und so rasch verändert.

Unlängst bei einer Flugreise mit der Familie unseres Enkels ist mir das besonders bewusst geworden. Die Frau meines Enkels hat mit großer Routine alle Formalitäten für den Reiseantritt erledigt. Wir Alten, die wir nur selten fliegen, hätten uns in dieser Welt der Automaten recht hilflos ohne sie gefühlt.

Sich auf das Lebensmodell Familie einzulassen lohnt sich, allerdings unter der Voraussetzung, sich mit dem richtigen „Werkzeug“ auszurüsten. Es wird einem als Christ zur Hand gegeben, wenn man eine sakramentale Ehe schließt: Die Zusage der Nähe Gottes, der die in Seinem Namen geschlossene Ehe begleiten, in Notsituationen stärken und aus Krisen herausführen kann und wird. Man muss die angebotene Hilfe allerdings auch in Anspruch nehmen und sich nicht mit dem schönen Rahmen, den Kirchen bei der Trauung abgeben, begnügen.

Klar, fast alle Ehen werden in der besten Absicht geschlossen, beieinander zu bleiben, Hand in Hand durch Dick und Dünn zu gehen. In einer Welt, die vom Glauben weitgehend Abschied genommen hat, reichen die bes­ten Absichten jedoch vielfach nicht. Romano Guardini hat es sinngemäß so formuliert. Wer nach Gottes Geboten zu leben versucht, ist leicht in Gefahr, sich zu übernehmen, wenn er nicht gleichzeitig auf Gottes konkrete Hilfe bei der Bewältigung des Programms vertraut. Mit den 10 Geboten lege man sich die Latte einfach zu hoch, wenn man hofft, sie aus eigener Kraft überspringen zu können.
Und das gilt besonders in einer Zeit, in der die Demontage der Familie so fortgeschritten ist wie heute. Sie hat ein Ausmaß erreicht, das noch vor einem halben Jahrhundert – einem Zeitraum, den ich gut überblicke – undenkbar gewesen wäre. Die unterschiedlichsten Ideologien wirken auf diesen Niedergang hin: Feminismus, Liberalismus, Evolutionismus, Ökonomismus…

Im Zentrum all dieser Betrachtungen steht nicht mehr der einzelne Mensch, die besondere Person, sondern die Gesellschaft. Sie ist das Gebilde, das es zu perfektionieren gilt, Der Einzelne wird zum Rädchen im Getriebe.

Nur die Familie passt nicht in dieses Schema. Denn da ist keiner eine Nummer, sondern hat jeder einen Namen: Herbert, Olivia, Viktor, Maria, Paul, Renata… In der Familie versucht man, sich nach Wünschen des einzelnen zu richten, seine besonderen Talente zu fördern, auf seine Eigenarten Rücksicht zu nehmen, ihn zu trösten, wenn er scheitert… Da ist der Mensch nicht eine Nummer, ein „Fall“ wie jeder andere. Da muss er nicht nach Durch­schnitts­erwartungen eingeschätzt werden, muss nicht alles so machen, wie es alle tun… Vor allem wenn sie größer ist (mehrere Generationen, mehrere Kinder, Onkeln, Tanten…), hat die Familie ein subversives Potenzial, weil sie eine Eigendynamik entwickeln kann, die nicht unbedingt systemkonform ist. Daher ist sie allen totalitären Systemen – und unser heutiges neigt zu dieser Haltung – ein Dorn im Auge.

In einem gottlosen Umfeld brauchen Christen einen solchen „Background“, der Halt gibt und quasi eine Gegenkultur entstehen lassen kann. Aber, wie gesagt, das kann nur gelingen, wenn die Beziehung zur Kraftquelle erhalten bleibt und vertieft wird. Je gottloser das Umfeld, umso intensiver muss die Nähe Jesu Christi gesucht werden. Die heilige Mutter Teresa von Kalkutta wurde nicht müde, das Erfolgsrezept zu propagieren: „A family that prays together, stays together,“ wiederholte sie immer wieder: „Eine Familie, in der man miteinander betet, wird zusammenbleiben.“

An der „Familienfront“ spielen sich die letztlich entscheidenden ideologischen Kämpfe unserer Tage ab. Die Seherin von Fatima Sr. Lucia dos Santos hat es in einem Brief an den verstorbenen Kardinal Carlo Caffara klar zum Ausdruck gebracht:„Die letzte Schlacht zwischen dem Herrn und der Herrschaft des Satans wird um die Ehe und die Familie geschlagen.“ Diesen Kampf erleben wir heute. Ihn in der Kraft des Geistes, dessen Herabkunft die Kirche erst vor wenigen Tagen gefeiert hat, zu bestehen, sind wir alle berufen.


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